Mausefalle Hintergrundgeschichte

Samstag, 09.11.2024

Essen im November: Das Wetter ändert sich im Jahr 2024 ebenso schnell wie meine Gefühle. Einen kurzen Moment lang scheint die Sonne vom leuchtend blauen Himmel, dann ist wieder alles grau in grau. Der 9. November ist einer von den Tagen, an denen es gar nicht richtig hell wird. Ich gehe auf einer ehemaligen Bahntrasse vom Grugapark zu meiner Wohnung am Bahnhof Süd.

An einer Stelle verläuft der Weg zwischen dem Gelände eines Heizkraftwerks und einer grünen Böschung, die von Betonplatten gehalten wird. Unten hat sich Laub gesammelt. Ich nehme eine Bewegung war. Aus dem vermodernden Braun blicken mich zwei winzige schwarze Knopfaugen an.

Spiegeln sie die Verzweiflung in meinen Augen wider oder bilde ich mir das nur ein? Jedenfalls gehören die Knöpfchen zu einer rötlichen Maus, die mit ihren Beinchen an den Betonplatten entlangrennt. Immer wieder hält sie inne und blickt mit wachsender Panik nach oben. Die rettende Böschung ist unerreichbar, denn die Mauer ist für so ein kleines Wesen so hoch wie ein Wolkenkratzer.

Halbherzige Versuche dagegen zu springen oder Halt zum Hochklettern zu finden, sind zum Scheitern verurteilt. Die Maus sitzt in der Falle.

Einmal läuft sie direkt zu meinen Füßen und sieht mich an, als ob sie um Hilfe bitten will. Ich überlege, wie ich den Nager davor bewahren kann, von Fußgängern zertreten oder von Radfahrern geplättet zu werden. Einige Meter weiter vorn werden die Platten niedriger bis sie ganz verschwinden. Komm, Mausi, wenn du immer weiter an der Wand entlangrennst, entkommst du der Falle. Doch plötzlich kehrt sie um.

Neeeiiiiin, falsche Richtung: So läufst du in eine Sackgasse! Wie kriege ich sie jetzt bloß auf die Böschung? Fangen kann ich das blitzschnelle, wieselnde Wesen wohl kaum. Aber dann sehe ich einen Stock und halte ihn ihr hin. Als sie sich draufwagt, hebe ich ihn wie einen Fahrstuhl hoch. Die Maus springt vom Stock auf die Böschung und verschwindet im Unterholz.

Sie ist frei. Ich bin gleichzeitig glücklich und tieftraurig. Warum kann ich der Maus einen Ausweg zeigen, während ich selbst immer noch an der Betonwand entlangrenne?

Der kurze Zwischenfall hat mich zum Gedicht „Mausefalle“ inspiriert.